Felder's Traum
Die Lebensgeschichte des Franz Michael Felder in Romanform

Franz Michael Felder

Franz Michael Felder wurde 1839 als einziges überlebendes Kind einer Kleinbauernfamilie im österreichischen Schoppernau geboren. Trotz einer verpfuschten Augenoperation entdeckt der nun halb blinde Bub das Lesen. Nach dem frühen Tod des Vaters bewirtschaftet er mit seiner Mutter den Hof und ist sommers Ziegenhirte auf einer Alpe. 1863 erscheint sein erster Roman "Nümmamüllers und das Schwarzokaspale", der die halbe Talschaft gegen ihn aufbringt. Mit der Besetzung der Pfarrstelle durch Johann Georg Rüscher beginnt ein Kampf, der noch über seinen frühen Tod hinaus die Bevölkerung spaltet.
Felder legt sich mit den monopolistischen Käsgrafen an, gründet die erste Volksbibliothek in der österreichischen Monarchie und mit seinem Schwager eine Reform-Partei. Vom Pfarrer verhetzt als "Freimaurer" und "Rot-Republikaner", ist er im Tal seines Lebens nicht mehr sicher. Schließlich flieht er mit seiner Frau Nanni über die schneebedeckten Berge. Während der Flucht erscheint in der größten deutschen Zeitung "Gartenlaube" ein groß aufgemachter Artikel über ihn, durch den er schlagartig zur Berühmtheit wird.
1867 wird bei Hirzel in Leipzig sein Roman "Sonderlinge" veröffentlicht und wieder gehen die Wellen hoch. In Leipzig besucht Felder Vorlesungen an der Universität und wird Ehrenmitglied des dortigen Germanistenclubs. Während seines Aufenthalts
kommt es in Bezau aufgrund der Initiative Franz Michael Felders zur Gründung des Käsehandlungsverein, mit dem sich die Bauern aus der Abhängigkeit der Käsehändler befreien.
Ein Jahr später stirbt seine Frau Nanni, Mutter von vier Kindern. Kurz darauf erscheint wiederum bei Hirzel der Roman "Reich und Arm".
In Felders Verzweiflung rät ihm sein Leipziger Freund Hildebrand, seine Lebenserinnerungen aufzuzeichnen.
Im folgenden März beendet er seine Autobiografie "Aus meinem Leben" mit der Schilderung der Hochzeit mit Nanni. Um weiter zu schreiben, will er zuerst einmal Abstand gewinnen. Aber dazu kommt es nicht mehr.
Am 26.4. 1869 stirbt Franz Michael Felder im Alter von nur 29 Jahren in Schoppernau.


Auszüge aus dem Artikel in der "Gartenlaube" 1868:
Ein Bauer als Dichter.

Durch die öffentlichen Blätter läuft seit dem Februar d. J. eine andeutende Nachricht von einem Bauer, der als Romandichter auftrete. Ein echter Bauer – als echter Dichter? unerhört! Aber die Sache ist richtig und so merkwürdig, daß sie durch das deutsche Weltblatt der deutschen Welt genauer mitgetheilt zu werden verdient. [...] Und wirklich in einem Winkel wohnt er und ist geworden, was er ist, in einem der verstecktesten Alpenthäler, und zwar im hintersten Dorfe des Thales, in Schoppernau, bis wohin nicht einmal eine Fahrstraße führt; selbst dem 17. Jahrhundert wäre der Fahrweg nur ein schlechter Feldweg gewesen....
[...] Ich muß mit Gewalt abbrechen, so reizt es mich zu Mittheilungen aus seinen weiteren Briefen, die zunehmen an Gehalt und neuerdings auch an Heiterkeit. Aber es ist genug, um ungefähr sehen zu lassen, daß in dem Leben dieses Bauern ein modernstes – Heldenleben vorliegt, an dem sich staunend zu weiden das deutsche Volk ein Anrecht hat, die gelehrte Hälfte wie die nicht gelehrte. Sein ganzes Heldenthum ist freilich hier noch nicht zu übersehen, noch nicht mit welchen inneren und äußeren Kämpfen und Nöthen er sich herausarbeiten mußte aus einer Tiefe und aus Hindernissen, worin und worunter hundert Andere in gleicher Lage zu Grunde gegangen wären und gewiß Mancher schon zu Grunde gegangen ist, wie er dabei sich selbst umgeschaffen hat aus einem bloß Denkenden, Träumenden, der Welt Abgewandten in einen frischen Mann der kühnen und zähen That, der seinen ganzen reichen Geist nun einsetzt nicht für die eigene Ehre, sondern tiefbescheiden zum Besten Aller in den Aufgaben des Augenblicks und der nächsten Nähe, wie er, kaum fertig mit jenen ungeheueren Aufgaben (ein Achtundzwanzigjähriger und Einäugiger!), schon kühn und umsichtig daran geht, auch seine Landsleute heraus und herauf zu ziehen aus geistiger, sittlicher und socialer Noth, wie er dazu kämpft mit den entgegenstrebenden Gewalten über und mitten unter der Gemeinde, zu ihrer Fortbildung eine Lesebibliothek gründet gegen den Willen des Pfarrers, und sie selbst belehrt, zur Hebung ihrer Selbstständigkeit und des Ertrags ihrer Arbeit das neue Genossenschaftswesen praktisch einführt in die Erwerbszweige seines Ländchens, an einer Viehversicherungsgesellschaft arbeitet, Versammlungen abhält, Statuten verfaßt, und neben allem dem das Feld und die Kühe selbst besorgt, und über allem dem als Dichter vorwärts strebt, so daß ihm jetzt schon die „Sonderlinge“ als in dem und jenem fremd geworden erscheinen.